Die Zahl der Fälle von Kindesmissbrauch steigt drastisch.
Nicht nur Experten meinen, daß die Insitution Familie in einer Krise steckt
Er sei ein "liebevoller Vater gewesen", berichten
Bekannte. Doch die Beweisaufnahme Polizei und Feuerwehr brechen in Regensburg nach einem anonymen Hinweis
eine Wohnungstür auf: Das fünfjährige Mädchen, von
der Mutter mit den Füssen an einen Bettpfosten gefesselt, die Arme
mit einem Bademantelgürtel verknotet, ist mit frischen Der brüllende Säugling, gerade sechs Wochen alt, sei gegen
die Wand geknallt, als Seine Frau sei "immer zickiger" geworden, erklärt ein 43jähriger
Mann vor der Fünften Großen Strafkammer des Hamburger Landgerichts,
der angeklagt ist, seine jetzt Auch der 44jährige, der in Stuttgart des sexuellen Mißbrauchs
angeklagt ist, kann sich So etwas kommt vor. Seit den 60er Jahren wird über Kindesmißhandlung
gesprochen, seit Beginn dieses Jahrzehnts ist - vor allem Dank der Frauenbewegung
- auch sexueller Mißbrauch von Kindern ein Thema. Vorsichtig
nähern sich Fachleute auch anderen Formen von Gewalt gegen das Kind:
körperliche und seelische Vernachlässigung, Streß und Ausbeutung.
In Schüben entsteht so ein Bild vom Ausmaß der Härten am
heimischen herd.
Wissenschaftler beginnen zu begreifen: Dem "prägnanten Bild spektakulärer
Brutalität", schreibt der Münchner Forscher Michael-Sebastian
Honig in seinem Buch "Verhäuslichte Gewalt", stehe die ebenso unermüdliche
wie erfolglose Suche nach einem abgrenzbaren Typus von Familienproblemen,
nach einem Typus der <Gewaltfamilie> gegenüber". Tatsächlich
aber käme Gewalt in ganz normalen Familien vor, werde dort von ganz
normalen Eltern verübt: "Alle Versuche, Gruppen von Risikofaktoren
zu bestimmen, Risikopopulationen zusammenzustellen und Ursachen familialer
Gewalt trennscharf zu bestimmen, müssen als gescheitert angesehen
werden."
Genau hier liegt die eigentliche Dramatik. Gewalt in der Familie, für
viele schwer faßbar, läßt sich nicht mehr als Tat tobender
Trunkenbolde und irrer Lusttäter abtun - sie ist gängiges Prinzip,
allgegenwärtig, alltäglich.
In 97 Prozent der US-Familien fand man Formen körperlicher Bestrafung,
bei immerhin 3,8 Prozent der Kinder zwischen 3 und 17 machten Straus und
Kollegen schwerste Formen von Mißhandlung aus.
Auch in der Bundesrepublik hat eine wachsende Zahl von Fluchtstätten,
zunächst die Frauenhäuser, nun verstärkt auch Mädchenhäuser
und Notwohnungen für mißhandelte Kinder, die Illusion ausräumen
helfen, daß die bürgerliche Familie, idealisierte Kreation des
19.Jahrhunderts, Hort von Eintracht und Frieden ist.
Bei psychiatrischen Untersuchungen stellte sich heraus, daß diese
Schwangeren, so Jungjohann, das Kind als Fremdkörper von Anbeginn
haßten, das Gefühl hatten, ausschließlich wegen des zu
erwartenden Kindes geliebt zu werden. Eine Mutter, die ihr Kind trotz
Selbstmißhandlung gebar, schrie nach der Abnabelung: "Schmeißt
doch den Balg an die Wand!"
Tückischer noch als die körperlichen Attacken ist die traurige
Vielfalt seelischer Mißhandlungen. Der Psychoterror daheim: Techniken
des Ignorierens, Verspottens und Drohens, der Erniedrigung und Isolation,
aber auch das Umklammern - Ausdruck der Unfähigkeit, Kinder in die
Unabhängigkeit zu entlassen. Notorischer Hausarrest bis zum Wegschließen
der Kinder in dunkle Verschläge, ständige Beschimpfungen, die
brüske Ablehnung jeder kindlichen Lebensregung, bis hin zu merkwürdig
gespaltenen Botschaften: Wenn du gut wärst, könnte ich dich lieben
- aber du bis es nicht, deshalb lehne ich dich ab.
In der Summe, vermutet der Kinder- und Jugendpsychiater Gerhardt Nissen,
wirkt solch weit verbreitete Nadelstich-Politik noch fataler, weil sie
"Kinder zu wehrlosen Objekten psychisch gestörter Eltern macht, die
sie lautlos und unauffällig zu masochistischen, depressiven oder aggressiven
Neurotikern" erziehen oder durch permanente Herabsetzung "unselbständig,
ängstlich und lebensuntüchtig" machen.
Körperliche Gewaltanwendung ist immer mit seelischer und emotionaler
Mißhandlung verknüpft, psychische Folgen aber können auch
Kinder abbekommen, die selbst nicht aktiv angegriffen wurden.
Ein achtjähriger Junge schildert seine heimische Atmosphäre:
Das Kind - zugleich Schmusetier und Klotz am Bein? Immer öfter
scheinen die raren Nachkommen zur Projektionsfläche elterlicher Ansprüche
zu werden. Das Kind soll nicht stören und nicht schmutzen, es soll
klug, schön und erfolgreich sein, vor allem soll es die Eltern lieben
- ein Luxusartikel, der die Anschaffung lohnt. Das Kind, beobachtet
Bärsch, gerate verstärkt in die Funktion, "die Eltern glücklich
zu machen".
Kann auf Schläge, auf die Ohrfeigen und Klapse, auf Hiebe, Haue,
Prügel und Senge nicht gut verzichtet werden, müssen Eltern die
Kinder versohlen, verdreschen, bimsen, durchbläuen, übers Knie
legen, müssen sie ihnen die Hosen strammziehen, eine langen, herunterhauen
oder verpassen?
Bislang sind alle Versuche gescheitert, das elterliche Züchtigungsrecht
nach skandinavischen Vorbild zu schleifen. Nur "entwürdigende Erziehungsversuche"
sind nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch "unzulässig". Die körperliche
Züchtigung, lehrt der Palandt, meistgenutzter BGB-Kommentar, sei nicht
schon als solche entwürdigend. Der "Klaps auf die Hand", ja selbst
eine "wohl erwogene", nicht dem bloßen Affekt entspringende "Tracht
Prügel" seien durchaus "zulässige Erziehungsmaßnahme".
"Ich selber hab' oft genug einen draufgekriegt", erzählt eine Mutter,
die in der Düsseldorfer Kinderschutzambulanz behandelt wird. Sie wirkt
verstört, sie stottert. Das kleinere ihren beiden Kinder, ein Mädchen,
ist ihr weggenommen worden, als es nach einem vermeintlichen Unfall ins
Krankenhaus kam. Mit drei Monaten hatte es schon einen Schädelbruch
gehabt, dann einen Oberschenkelbruch - Folgen schwerer Mißhandlung
durch die Mutter. Die Tochter lebt jetzt bei einer Pflegefamilie.
Ihr Sohn ist in der Familie geblieben. Die Eltern haben selbst erkannt,
daß sie derzeit alleine nicht zurechtkommen, die Mutter ging zum
Jugendamt und sagte: "Ich kann nicht mehr." Mehrmals in der Woche macht
nun eine Familienhelferin "kontinuierliche Alltagsbetreuung". Die Mutter
geht einmal wöchentlich in die Kinderschutzambulanz.
Ihr Sohn, Andreas*, sitzt im Spielzimmer der Ambulanz, umringt von Puppen,
Legosteinen und Kuscheltieren. "Wo willst Du wohnen?" fragt Therapeut Jungjohann.
Andreas spielt am Ofen des Puppenhauses herum, knipst den Lichtschalter
an und aus: "Im Kindergarten." Er soll die Mutter hereinholen, zögert,
geht dann ins Nebenzimmer, wo sie wartet.
Im Spielzimmer ist der Streit sofort da. Mutter und Sohn brüllen,
weil sie sich nicht einig sind, wie mit einem Spielzeug umzugehen ist.
"So geht das - "nein" - "Ja" - "Nein". Jungjohann schaut zu und fragt die
Mutter dann ganz ruhig, warum sie ausrastet. "Weil ich ziemlich schnell
den Geduldsfaden verliere", sagt sie nach kurzem Überlegen. "Gibt's
dann auch blaue Flecken ?" fragt er. "Nicht immer", äußert sie
etwas kleinlaut, bei der Tochter habe es das öfter gegeben.
Schon gibt es wieder Geschrei. Andreas will einen Schrank im Spielzimmer
öffnen, prompt verbietet der Mutter es ihm. Er kreischt und nölt,
fegt durch die Legosteine, schmeißt einen angebissenen Apfel vom
Tisch. Der Krach zwischen Mutter und scheint tausendfach eingübt,
läuft wie automatisch nach einem simplen Schema ab. Nein - Ja - Nein
- Doch - Nein.
Besonders der sexuelle Mißbrauch, in vielerlei Hinsicht die perfideste
Form von gewalt gegen das Kind, wirft beim therapeutischen Bewältigungsversuch
eine Unzahl von Problemen auf.
Mit Vehemenz leugnen die Täter, meist die Väter, nicht selter
aber auch ein Onkel, der Groß- oder Stiefvater, die Tat, deuten die
Aussage des Kindes als Racheakt, oder ersinnen abstruse Ausflüchte.
Ein Vater, zu sechs Jahren Haft verurteilt, weil der mit seiner Tochter
seit ihrem zehnten Lebensjahr mehr als hundertmal geschlafen hatte, erklärte
vor Gericht, er habe sie nur gelegentlich mal "durchgekitzelt".
Väter als Täter: Je enger die verwandschaftliche Beziehung,
desto intensiver ist der Mißbrauch, desto wahrscheinlicher die Gewaltanwendung,
desto gravierender die Folgen. Sexuell mißbrauchte Mädchen,
davon künden mittlerweile eine Serie von Untersuchungen, zeigen noch
viele Jahre später Anzeichen von Ohnmacht und Selbstdestruktion, laufen
deutlich größere Gefahr, auch als Erwachsene Opfer eine Vergewaltigung
zu werden. Unter Psychatriepatientinnen, Prostituierten, Alkohol- und Drogenabhängigen
finden sich überdurchschnittlich viele Frauen, die im Kindesalter
sexuell mißbraucht wurden.
Keine andere Form von Gewalt gegen das Kind bewirkt solche Zerrüttungen,
rückt die Familie, vor allem aber ihre vermeintlichen Oberhäupter,
so sehr ins Zwielicht.
"Was wir betreiben", meint Klaus Schmidt, "ist ein erster Ansatz von
Friedensforschung in den privaten Verhältnissen."
1989, unveröffentlicht von Tom Schimmeck
©Copyright by Engelmausi
vor einem saarländischen Gericht
ergibt, daß die einjährige Tochter mit einer Gehirnerschütterung
ins Krankenhaus mußte, weil sein Fausthieb sie aus dem Kinderstühlchen
schleuderte. Aus geringem Anlaß, bezeugt die Mutter, schlug
der Vater
die Tochter "grün und blau"; machte die Kleine den Teppich naß,
wurde
sie mit der Nase über den Teppich gezogen, bis sie blutete -
"weil man so einem Hund beibringt, stubenrein zu werden".
und älteren
Wunden übersät. Nachbarn berichten, sie hätten seit
einem Jahr immer
wieder Schreie gehört.
er ihn wütend auf das Bett geworfen habe, sagt
der junge Vater vor der Jugendkammer München I. Da er weiterschrie, habe er ihm dann auf den Kopf geschlagen.
Sein kleiner Sohn war schon
tot, als man ihn mit Schädel- und Rippenbrüchen in einer Münchner
Klinik einlieferte.
15jährige Tochter seit ihrem sechsten
Lebensjahr sexuell mißbraucht zu haben. Der
Vater streitet, trotz
erdrückender Beweislage, alles ab: Das sei "ein Racheakt" des
Mädchens,
wohl weil er ihr das Rauchen verboten habe.
nicht erklären, warum die Tochter "das sagt".
Wenn die Mutter spätabends noch
arbeitete, berichtet die junge Frau,
habe er sie seit ihrem zehnten Lebensjahr immer
wieder massiv bedrängt,
bis sie schließlich schwanger wurde. "Du darfst mit niemandem
darüber
sprechen", schärfte er ihr ein -sie ist seit zwei Jahren in psychotherapeutischer
Behandlung.
Bei uns war es so, daß die Luft
in der Wohnung, besonders in der Küche, immer voll war von Messern,
Tellern, manchmal Stühlen und immer voll von Gebrüll. Der Vater
brüllte, die Mutter kreischte und wir Kinder weinten. Geschlagen
haben die mich nie, sondern nur sich selbst.